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PV-Forschung auf dem Mont-Soleil

(02.10.2019)

ARTIKEL IM «BULLETIN SEV/VSE»

 

Seit 1990 hat sich der weltweite Markt für Photovoltaik rund dreitausendfach vergrössert und gleichzeitig vollständig globalisiert. Wie hat sich die im Jahr 1990 gegründete Gesellschaft Mont-Soleil in einem derart veränderten Marktumfeld bis heute behaupten können?


Eine dreitausendfache Vergrösserung des Weltmarkts geht mit einer entsprechenden globalen Zunahme der Marktteilnehmer einher. Dabei ist die Entwicklung alles andere als linear extrapolierbar. China beispielsweise, das 1990 noch kaum auf einer PV-Landkarte existierte, stellt heute rund 70% der PV-Module her. Dagegen liegt der europäische Anteil inzwischen unter 5%. Doch wie konnte die Gesellschaft Mont-Soleil, die ihre Organisation weder um einen Faktor 3000 vergrössern konnte noch wollte, sich solch starken Marktveränderungen anpassen? Die Antwort liegt einerseits in der konsequenten Fokussierung auf die – im globalen Kontext kompetitiven – Stärken und andererseits in der Ausgestaltung des Mont-Soleils als Forschungs- und Entwicklungsplattform, die Interessierte aus aller Welt nutzen können.

 

Sonnenkraftwerk Mont-Soleil

Die Gesellschaft Mont-Soleil [1] konnte im Jahr 1992 nach einer sehr umsichtigen Planungsphase ihr Sonnenkraftwerk auf dem Mont-Soleil in Betrieb nehmen, welches mit seiner Nennleistung von 560 kW die damals grösste Photovoltaikanlage in ganz Europa war. In der Planungsphase im Jahr 1989 wurden die Projektziele wie folgt definiert: «Mont-Soleil ist ein schweizerisches Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsprojekt im Gebiet der photovoltaischen Elektrizitätserzeugung. Das Projekt umfasst die Planung, den Bau und den Betrieb eines nach heutigem Stand technisch und wirtschaftlich optimierten Solarzellen-Kraftwerks. Das Projekt soll ausgedehnte, auch längerfristige Möglichkeiten für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowohl am Gesamtsystem als auch an einzelnen Komponenten bieten. Ebenso soll es für Ausbildungszwecke genutzt werden können.»[2] Die Tatsache, dass die Gesellschaft dreissig Jahre später, trotz der erwähnten massiven Veränderungen im Marktumfeld, ihre ursprüngliche Zielsetzung als Basis für ihr weiteres Wirken nutzen kann, sagt einiges über die Robustheit des am Anfang gelegten Fundaments aus.

 

Thermographie-Drohne im Einsatz (PhD Summer School Mont-Soleil 2018).

 

1993 konnte eine erste, insgesamt sehr positive Bilanz zum Sonnenkraftwerk Mont-Soleil gezogen werden.[3] Im Zentrum des Interesses standen in erster Linie die Solarmodule, welche 44% der gesamten Bausumme von 8,4 Mio. CHF beanspruchten und damit die Wirtschaftlichkeit des Sonnenkraftwerks am meisten beeinflussen. Der aufgrund der niedrigsten Systemkosten ausgewählte Solarmodultyp Siemens M55 (Laminat) wurde mit Feldmessungen sowie mit Messungen am Joint Research Centre JRC der EU in Ispra (I) ausgemessen. Es wurde dabei ein durchschnittlicher Leistungswert pro Modul gefunden, der rund 3% höher lag, als vom Hersteller spezifiziert. Einen interessanten Aspekt stellt auch die damals sehr innovative klebetechnische Montage der PV-Laminate dar, wodurch gegenüber der konventionellen Montage rund 15 t Aluminium gespart werden konnten. Dadurch konnte sowohl die Wirtschaftlichkeit des Sonnenkraftwerks wie auch dessen Ökobilanz nochmals verbessert werden, indem die Herstellung dieser Menge Aluminium nahezu einen Jahresenergieertrag des ganzen Kraftwerks benötigt hätte.

Ebenso von Interesse waren die ersten Betriebserfahrungen mit dem speziell für den Mont-Soleil von ABB gebauten, selbstgeführten Pulsweitenmodulations-(PWM-)Wechselrichter mit einer Nennleistung von 540 kVA. Dieser Wechselrichter galt über viele Jahre als einer der grössten in Betrieb stehenden PV-Wechselrichter weltweit. In der ersten Zeit nach der Inbetriebnahme ergaben sich einige Wechselrichter-Ausfälle wegen Störimpulsen auf der Hilfsenergie-Versorgung. Durch Einbau von Filtern und verbesserter Erdung konnten diese Fehlerquellen eliminiert und ein zuverlässiger Betrieb des Wechselrichters erreicht werden. Dieser Wechselrichter-Prototyp wurde – am Ende seiner technischen Lebenserwartung längst angekommen – im Oktober 2013 im Rahmen einer vorbeugenden Instandhaltung durch einen Standard-Zentralwechselrichter PVS 800 von ABB ersetzt.[4]

Einen zentralen Einfluss sowohl auf die Wirtschaftlichkeit wie auch auf die Ökobilanz des Sonnenkraftwerks hat dessen Langzeitverhalten. Seit vielen Jahren pflegt die Gesellschaft in diesem Kontext einen engen Kontakt mit dem Labor für PV-Systeme an der Berner Fachhochschule (BFH) in Burgdorf.

Um die Energieproduktion und das Betriebsverhalten von PV-Anlagen verschiedener Grösse und an verschiedenen Orten über lange Zeit in fairer Weise miteinander vergleichen zu können, muss als Grundlage zwingend eine stringente, normierte Datenauswertung stehen. In [5] wird die für diese Langzeituntersuchung verwendete Systematik beschrieben, welche namentlich auch eine detaillierte Analyse von sporadischen Fehlfunktionen (z. B. «Maximum-Power-Tracking-Fehler» beim Wechselrichter, (Teil-)Beschattung oder Schneebedeckung des Generators usw.) erlaubt. Ein Zwischenstand der Langzeituntersuchungen nach den ersten zehn Betriebsjahren wird in [6] gegeben.

Die Langzeitmessungen konnten auch dank neuer Hilfsmittel immer effizienter ausgeführt werden. Ein solches Werkzeug wird beispielsweise in [7] vorgestellt, bei der mit einer Multicopter-Drohne, welche mit je einer Video-Kamera für den Infrarot und den sichtbaren Lichtbereich ausgerüstet ist, das ganze Sonnenkraftwerk Mont-Soleil innerhalb von nur 15 Minuten auf Schäden untersucht werden kann.

Am wichtigsten bei der Langzeituntersuchung ist die Interpretation der Resultate. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die für das Sonnenkraftwerk festgestellte jährliche Degradation von 0,13% auf den ersten Blick eine sehr hohe Lebensdauer der Solarmodule (40 Jahre und mehr) erhoffen lässt. Es gibt jedoch Erfahrungen mit sehr alten Solarmodulen (z. B. Tiso-10-kW-Anlage der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana, Supsi, in Canobbio), die darauf hindeuten, dass der annähernd lineare Degradationsprozess ab einem gewissen Anlagealter (typischerweise >30 Jahre) in einen nicht linearen, schneller werdenden Zerfallsprozess übergeht, so dass eine Betriebsdauer von 40 Jahren und mehr kaum realistisch erscheint.[8] Es ist deshalb ratsam für einen PV-Betreiber, sich an der jährlich publizierten «Markterhebung Sonnenenergie» des Bundesamts für Energie zu orientieren, in welcher derzeit von einer mittleren Lebensdauer eines PV-Moduls von 33 Jahren ausgegangen wird.[9]

 

Modultests

Auf dem Areal des Sonnenkraftwerks Mont-Soleil wurde 1995 ein Testfeld für Solarmodule in Betrieb genommen, welches der Erprobung neuer Komponenten für freistehende und gebäude­integrierte PV-Anlagen und deren technisch-wissenschaftliche Auswertung im Vergleich mit dem bestehenden Sonnenkraftwerk dienen soll.

Über die Jahre war dabei eine Vielzahl von Technologien unter den klimatischen Bedingungen des Mont-Soleils im Einsatz. Dabei konzentrierte sich das Interesse auf Technologien mit einer oder mehreren herausragenden Eigenschaften im Hinblick auf Wirkungsgrad, Kosten bzw. Kostensenkungspotenzial bei Prototypen, Langlebigkeit, Ökologie (energetische Amortisationszeit, Rezyklierbarkeit), Ästhetik usw. Diese Fokussierung geschah nicht zuletzt auch wegen der jährlich rund 10 000 Besucher des Sonnenkraftwerks, deren Fragen sehr oft im Zusammenhang mit den oben genannten Eigenschaften standen. Aus Platzgründen kann hier beispielhaft nur auf ein Exponat eingegangen werden, welches seit Juni 2019 auf dem Mont-Soleil in Betrieb ist und welches die Konfektionierung der Oberflächengestaltung von PV-Modulen revolutionieren könnte.

Es ist seit Beginn der starken Photovoltaik-Wachstumsphase bekannt, dass PV-Anlagen unter Umständen Gebäude- und Siedlungsarchitekturen beeinträchtigen können, was die Akzeptanz für Photovoltaik nachweisbar einschränkt – in manchen Fällen sogar noch stärker als technische oder preisliche Faktoren. Deshalb beschäftigen sich zum Beispiel das Schweizer Zentrum für Elektronik und Mikrotechnik (CSEM) in Neuenburg und die Firma Solaxess in Marin-Epagnier bereits seit einigen Jahren mit der Farbgebung von PV-Modulen. Inzwischen ist die Entwicklung so weit fortgeschritten, dass hochauflösende Fotos auf eine spezielle Polymerfolie gedruckt werden können, welche anschliessend auf die PV-Module appliziert wird. Dies bringt entscheidende Vorteile in Bezug auf die Flexibilität mit sich, indem es so möglich wird, die Oberflächengestaltung der PV-Module verhältnismässig einfach zu ändern, ohne dass dadurch das ganze PV-Modul verloren geht. Basierend auf dieser reversiblen Film-Technologie hat der Verein Compáz in Neuenburg [10] das Kunstwerk Face à Phase auf dem Mont-Soleil realisiert.

 

Das vom Verein Compáz auf dem Mont-Soleil realisierte Kunstwerk Face à Phase unterstreicht nicht zuletzt die Vielseitigkeit zukünftiger PV-Anwendungen.

 

Zukunftslabor für Hochschulen und Industrie

Die Gesellschaft Mont-Soleil will das einzigartige Potenzial ihres seit bald 30 Jahren betriebenen Labor- und Experimentierplatzes weiterentwickeln. Sie lanciert zu diesem Zweck ein Zukunftsprojekt, das sie im Kontakt mit Hochschulen und Industrie vorantreiben will. Sie stützt sich dabei zum einen auf die langjährige Zusammenarbeit mit Entwicklern, Herstellern und Anwendern aus aller Welt ab. Zum andern basiert sie auf der sehr erfolgreichen Doktorandenschule, die 2018 zum ersten Mal mit der ETH Lausanne auf dem Mont-Soleil durchgeführt wurde.

Der Mont-Soleil eignet sich ausgezeichnet für den praktischen Umgang mit neuen Energietechnologien und ihrer Integration in eine zukunftsorientierte Stromversorgung. Langjährige Erfahrungen in der Nutzung der erneuerbaren Energien bieten dafür hervorragende Voraussetzungen. So verfügt die Region Mont-Soleil im Netzgebiet der La Goule SA eine normalerweise – im Jahressaldo – fast vollständige Abdeckung der Stromnachfrage durch erneuerbare Energien.

Mit ihrem Zukunftsprojekt will die Gesellschaft den bestehenden Labor- und Experimentierplatz verstärkt für die technologische Entwicklung und die höhere Fachausbildung zur Verfügung stellen. So sollen mit national und international tätigen Instituten und Industriefirmen neue Zusammenarbeitsformen ausgelotet werden, u. a. in den Bereichen der Produktions-, Steuerungs- und Regelungs- sowie Speichertechnologien.

 

PhD Summer School Mont-Soleil: Exkursionen zu den Hot Spots im Bereich Effizienz und Erneuerbar – wie z. B. der Evolaris Aviation in Nidau – runden das Kursangebot ab.

 

Referenzen

[1] www.societe-mont-soleil.ch

[2] R. Minder, A. Bertschinger, «Das photovoltaische Solarkraftwerk Phalk 500 Mont-Soleil», Bulletin SEV/VSE 16/1989.

[3] R. Minder, «Das Solarkraftwerk Phalk Mont-Soleil: Betriebserfahrungen und erste Bilanz», Bulletin SEV/VSE 10/1993.

[4] ABB connect, «20 Jahre bewährt», Heft 1/14, Februar 2014.

[5] H. Häberlin, C. Beutler, «Analyse des Betriebsverhaltens von Photovoltaikanlagen durch normierte Darstellung von Energieertrag und Leistung», Bulletin SEV/VSE 4/1995.

[6] H. Häberlin, C. Renken, «Langzeitverhalten von Photovoltaikanlagen», Bulletin SEV/VSE 10/2003.

[7] U. Muntwyler, M. Lanz, «IR-multicopter drone: Inspection of PV systems», 13. Nationale Photovoltaik-­Tagung, Basel, März 2015.

[8] A. Virtuani, M. Caccivio, E. Annigoni, et al., «35 years of photovoltaics: Analysis of the TISO-10-kW solar plant, lessons learnt in safety and performance – Part 1», Prog Photovolt Res Appl. 2019; 1–12.

[9] T. Hostettler (im Auftrag des Bundesamts für Energie und von Swissolar), «Markterhebung Sonnenenergie 2018 – Teilstatistik der Schweizerischen Statistik der erneuerbaren Energien», Juli 2019.

[10] www.compaz.art

 
 
 
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